Fiktiver wirtschaftlich Berechtigter: Meldepflichten an das Transparenzregister
Das Transparenzregister ist ein zentrales Instrument der Geldwäscheprävention in Deutschland. Es dient dazu, die wirtschaftlich Berechtigten (Ultimate Beneficial Owners – UBO) von juristischen Personen des Privatrechts und eingetragenen Personengesellschaften transparent zu machen. Verpflichtete nach dem Geldwäschegesetz (GwG), wie Banken, Notare oder Immobilienmakler, sind auf diese Daten angewiesen, um ihre Sorgfaltspflichten im Rahmen der KYC-Prüfung (Know Your Customer) zu erfüllen.
In der Praxis entstehen oft Probleme bei komplexen Gesellschaften: Was tun, wenn keine natürliche Person als Eigentümer ermittelt werden kann? Hier greift die Fiktion des Gesetzgebers.
Dieser Artikel erklärt die Definition nach § 3 GwG, die Meldepflicht gegenüber dem Bundesanzeiger und Besonderheiten für Unternehmen und Stiftungen. Zudem gehen wir auf die Pflichten bei der Identifizierung des Vertragspartners ein.
Direkter Vergleich: Tatsächlicher UBO vs. Fiktiver UBO
UBO steht für Ultimate Beneficial Owner – auf Deutsch: wirtschaftlich Berechtigte:r. Gemeint ist die Person, die letztlich Eigentum/Kontrolle über ein Unternehmen ausübt.
| Kriterium | Tatsächlicher wirtschaftlich Berechtigter (UBO) | Fiktiver wirtschaftlich Berechtigter (UBO) – empfohlen bei Nichtermittlung |
|---|---|---|
| Rechtsgrundlage | § 3 Abs. 1 u. 2 GwG | § 3 Abs. 2 S. 5 GwG |
| Wer ist das? | Eine natürliche Person (Mensch), die letztlich Eigentum oder Kontrolle ausübt. | Der/die gesetzliche Vertreter:in (z. B. Geschäftsführer:in, Vorstand) der meldenden Gesellschaft. |
| Wann wird gemeldet? |
Wenn eine natürliche Person
|
Nur, wenn nachweislich kein tatsächlicher UBO (linke Spalte) ermittelt werden kann – trotz angemessener, dokumentierter Nachforschungen. |
| Beispiel-Fall |
GmbH mit 3 Gesellschafter:innen (50 %, 30 %, 20 %). → 50 %- und 30 %-Gesellschafter:innen sind UBOs. |
AG im Streubesitz (viele Aktionär:innen, niemand > 25 %). → Fiktiver UBO: gesamter Vorstand. |
| Meldung „Art des Interesses“ | z. B. „Kapitalanteil > 25 %“ oder „Stimmrechtskontrolle > 25 %“ | z. B. „Stellung als gesetzliche:r Vertreter:in“ |
1. Wer unterliegt der Meldepflicht?
Seit der Einführung des Vollregisters sind alle transparenzpflichtigen Rechtseinheiten und Vereinigungen zur aktiven Meldung verpflichtet. Der aktuelle Stand erlaubt kein Berufen mehr auf die Mitteilungsfiktion durch Eintragungen in anderen Registern.
Zu den meldepflichtigen Organisationen zählen:
-
Juristische Personen des Privatrechts: GmbH, UG, Aktiengesellschaft (AG), Genossenschaften.
-
Eingetragene Personengesellschaften: KG, OHG, GmbH & Co. KG.
-
Trusts und Stiftungen: Gemäß § 21 GwG müssen auch Trusts (Verwalter) und nichtrechtsfähige Stiftungen, die einen eigennützigen Zweck verfolgen, ihre Berechtigten offenlegen.
Die Durchführung der Meldung erfolgt elektronisch. Versäumnisse stellen eine Ordnungswidrigkeit dar, die nach § 43 Abs. 1 GwG (bzw. § 43 Absatz 1) mit Bußgeldern geahndet wird.
2. Prüfungsschritt 1: Ermittlung des tatsächlichen UBO
Bevor die Fiktion greift, muss zwingend geprüft werden, ob ein tatsächlicher wirtschaftlich Berechtigter ermittelt werden kann. Dies definiert § 3 Absatz 1 GwG als jede natürliche Person, die unmittelbar oder mittelbar:
-
Mehr als 25 Prozent der Kapitalanteile hält.
-
Mehr als 25 Prozent der Stimmrechte kontrolliert.
-
Auf sonstige Weise Kontrolle über die Vereinigung ausübt.
Besonderheiten bei der Ermittlung: Bei mehrstufigen Strukturen müssen die Aktivitäten und Beteiligungsverhältnisse genau analysiert werden, um den „Durchgriff“ auf die natürliche Person am Ende der Kette zu prüfen.
3. Prüfungsschritt 2: Der fiktive wirtschaftlich Berechtigte
Kann nach umfassender Prüfung keine natürliche Person identifiziert werden – etwa weil sich die Anteile im Streubesitz befinden –, greift der Auffangtatbestand des § 3 Abs. 2 GwG.
Wann ist die Fiktion zulässig?
-
Keine Anteile > 25 %: Kein Gesellschafter hält mehr als 25 % der Anteile.
-
Kein sonstiger Einfluss: Es gibt keine Poolverträge, die eine Beherrschung ermöglichen.
-
Zweifel: Wenn nach Durchführung umfassender Nachforschungen Zweifel bestehen, ob die ermittelte Person der wahre Eigentümer ist, oder wenn gar keine Person ermittelt werden konnte.
In diesen Fällen gelten die Mitglieder der Leitungs- oder Verwaltungsebene als fiktive wirtschaftlich Berechtigte. Das sind in der Regel die Geschäftsführer, der Vorstand oder der persönlich haftende Partner.
Wichtig: Es müssen alle Mitglieder der Leitungs- und Verwaltungsebene erfasst werden. Scheidet ein Geschäftsführer aus, sind die Daten unverzüglich zu aktualisieren.
4. Dokumentation und Risikoanalyse für Verpflichtete
Die Meldung eines fiktiven UBOs wird vom Bundesverwaltungsamt streng überwacht. Unternehmen müssen im Rahmen ihrer Nachforschungen dokumentieren, warum kein tatsächlicher Berechtigter gefunden wurde.
Hinweise zur Dokumentation:
-
Befragung der Gesellschafter und Partner.
-
Analyse der Aktivitäten und Konzernstrukturen.
-
Vermerk in der internen Dokumentation, warum auf den fiktiven Berechtigten zurückgegriffen wurde.
Bestehen Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Vertragspartners im Rahmen einer Transaktion, müssen Verpflichtete wie Banken oder Notare eine Unstimmigkeitsmeldung abgeben.
5. Welche Informationen müssen gemeldet werden?
Für jeden wirtschaftlich Berechtigten (egal ob tatsächlich oder fiktiv) müssen folgende Informationen erhoben und an das Register übermittelt werden (§ 19 GwG):
-
Vor- und Nachname
-
Geburtsdatum
-
Wohnort
-
Art und Umfang des wirtschaftlichen Interesses
-
Alle Staatsangehörigkeiten
Beim fiktiven UBO wählen Sie als Begründung im Sinne des Gesetzes die Option: „Stellung als gesetzlicher Vertreter“.
6. Bußgelder nach § 43 Abs. 1 GwG
Verstöße gegen die Meldepflicht sind kein Kavaliersdelikt. Nach § 43 Abs. 1 GwG (bzw. 43 Absatz 1) handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder leichtfertig:
-
Die Meldung nicht, nicht richtig oder nicht vollständig erstattet.
-
Die Meldung nicht rechtzeitig („unverzüglich“) aktualisiert.
Dies gilt auch für Fälle, in denen fälschlicherweise ein fiktiver UBO gemeldet wurde, obwohl ein tatsächlicher UBO existiert. Die Bußgelder richten sich nach der Schwere des Verstoßes.
Fazit
Die Unterscheidung zwischen tatsächlichem und fiktivem wirtschaftlich Berechtigten ist im Bereich Compliance komplex. Angesichts der strengen Begriffs-Auslegung durch das BVA und der drohenden Bußgelder sollten Geschäftsleiter hier größte Sorgfalt walten lassen.
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FAQ – Fiktiver wirtschaftlich Berechtigter & Transparenzregister
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Was ist ein fiktiver wirtschaftlich Berechtigter?
Ein fiktiver wirtschaftlich Berechtigter ist eine Art „Platzhalter“. Wenn nachweislich keine natürliche Person als tatsächlicher wirtschaftlich Berechtigter (z. B. mit über 25 % Kapitalanteil oder Kontrolle) ermittelt werden kann, muss stattdessen der gesetzliche Vertreter der Gesellschaft (z. B. der Geschäftsführer oder Vorstand) als fiktiver UBO an das Transparenzregister gemeldet werden (§ 3 Abs. 2 S. 5 GwG).
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Wann muss ich den fiktiven UBO melden?
Nur dann, wenn eine umfassende Prüfung ergeben hat, dass kein tatsächlicher wirtschaftlich Berechtigter existiert. Der häufigste Fall ist der „Streubesitz“, bei dem kein Anteilseigner die 25 %-Schwelle überschreitet und auch sonst niemand (z. B. durch Poolverträge) Kontrolle ausübt. Unternehmen müssen angemessene Nachforschungen anstellen und dies dokumentieren; erst wenn diese ergebnislos bleiben, wird der fiktive UBO gemeldet.
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Wer genau ist der fiktive UBO (z. B. bei einer GmbH)?
Der fiktive UBO ist der gesetzliche Vertreter. Bei einer GmbH sind dies alle eingetragenen Geschäftsführer. Bei einer AG ist es der gesamte Vorstand. Diese Personen müssen dann mit ihren Daten (§ 19 GwG) gemeldet werden, wobei als „Art und Umfang des wirtschaftlichen Interesses“ die Stellung als gesetzlicher Vertreter anzugeben ist.
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Was bedeutet „Vollregister“ und was hat sich seit 2021 geändert?
Früher galt die „Mitteilungsfiktion“: War der UBO bereits im Handelsregister ersichtlich (z. B. als Gesellschafter), musste man ihn nicht zusätzlich dem Transparenzregister melden. Diese Fiktion ist weggefallen. Als „Vollregister“ muss nun jede transparenzpflichtige Rechtseinheit ihre UBOs aktiv an das Transparenzregister melden, selbst wenn die Daten schon im Handelsregister stehen.
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Was ist eine „Unstimmigkeitsmeldung“?
Verpflichtete (wie Banken, Makler, Notare) müssen bei der Identifizierung ihrer Kunden (KYC) die Angaben im Transparenzregister prüfen. Stellen sie dabei Abweichungen fest (z. B. der UBO fehlt, die Daten sind falsch), müssen sie dies der registerführenden Stelle unverzüglich melden (§ 23a GwG). Die Übergangsfristen hierfür sind am 1. April 2023 abgelaufen.
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